… hat den Berufsbildungsbereich der Werkstatt durchlaufen und dabei seinen Weg in den Arbeitsmarkt gefunden. Jetzt hat er gute Chancen auf eine Festanstellung in seinem Wunschbetrieb. Zu verdanken hat er dies der Tatsache, dass die Iserlohner Werkstätten ihren Teilnehmern einen betriebsintegrierten Zweig des Berufsbildungsbereichs bieten. Die Abteilung „Bildung und Qualifizierung“ begleitet BBB-Absolventen in Betriebe, lässt sie dort Erfahrungen sammeln und leitet sie in ihrer Tätigkeit an. Das Ergebnis ist in der Regel ein betriebsintegrierter Dauerarbeitsplatz oder, wie bei Max. L, sogar die Chance auf eine Festanstellung.
„2016 hab ich die ersten Erfahrungen im Arbeitsmarkt gesammelt“ erinnert sich der junge Mann. „Da ging ich noch zur Förderschule. Schon damals war mir klar: Ich wollte nicht in die Werkstatt. Deshalb habe ich mein Berufspraktikum im Sauerlandpark gemacht, in der Außenarbeitsgruppe der Iserlohner Werkstätten. Das gefiel mir gut und als ich mit der Schule fertig war, hab ich gleich dort angefangen.“ Ganz so schnell ging es in Wirklichkeit nicht, einen Teil des Eingangsverfahrens absolvierte er im zentralen BBB der Iserlohner Werkstätten, aber schon nach wenigen Wochen startete er seine Gärtnerqualifizierung: „Vier Tage war ich draußen im Sauerlandpark, freitags hatte ich Theorie in der Werkstatt.“
Im zweiten Jahr sieht das Konzept der Iserlohner Orientierungspraktika vor und Max L. wechselte in einen Metallbetrieb für Federnproduktion. „Ich war der einzige Werkstattbeschäftigte in der Firma und habe im Lager angefangen,“ erzählt er. „Das fand ich noch besser als die Gartenarbeit und deshalb bin da dann auch geblieben.“ Ende 2019 war die BBB-Zeit beendet und Max L. erhielt einen betriebsintegrierten Außenarbeitsplatz. „Meine Integrationsbegleiter haben schon mit dem Chef gesprochen. Wenn ich noch den Staplerschein schaffe, wollen sie mich fest übernehmen.“
Die Gesetzeslage
Eine Berufsbildung mit Langzeitpraktika in Betrieben des ersten Arbeitsmarkts, die bei Bedarf sogar auf Dauer angelegt ist, gibt es in der Werkstattlandschaft noch selten. Von der Gesetzeslage ist eine ausgelagerte Langzeitqualifizierung gedeckt. Im § 219 des SGB IX („Begriff und Aufgaben der Werkstatt“) steht der Satz: „Zum Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen gehören ausgelagerte Plätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.“ Ausgelagerte BBB-Plätze können kurzfristige Praktika, aber auch längerfristig angelegte Einheiten sein. Die Agentur für Arbeit definiert in ihrem Fachkonzept für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich als ein wesentliches Ziel von beruflicher Bildung, die Teilnehmer auf geeignete Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt vorzubereiten. Deshalb sieht sie ausdrücklich die „Durchführung von Teilen des Berufsbildungsbereichs in Betrieben und Dienststellen des allgemeinen Arbeitsmarktes" vor.
Die Vorteile eines betriebsintegrierten BBB
Diese Vorgabe interpretieren die Werkstätten in der Regel als ihren Auftrag, einigen Teilnehmern ihres BBB Kurzzeitpraktika im Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Langfristig angelegte betriebsintegrierte Berufsbildungseinheiten bringen sie dem Ziel eines Übergangs in den Arbeitsmarkt jedoch deutlich näher. Zeichnet sich im Betrieb eine Übernahmeperspektive ab, wird aus der beruflicher Orientierung eine gezielte berufliche Qualifizierung in der Echtsituation. Die Betriebe können die Teilnehmer mit ihren Stärken und Fähigkeiten (und auch ihren Schwächen) kennenlernen, es baut sich eine persönliche Beziehung auf, die für eine Übernahme entscheidend ist. Und: Die Teilnehmer fassen erst gar nicht Fuß in der Werkstatt, der oft beklagte „Sozialisierungseffekt“ tritt nicht ein, der den Übergang in den Arbeitsmarkt später so erschwert. Wenn die Werkstatt über eine geeignete Struktur für die Begleitung, Anleitung und Qualifizierung in Betrieben verfügt, verbessert sich damit die Chance auf eine Übernahme auf einen Außenarbeitsplatz oder eine Vermittlung über das Budget für Arbeit erheblich. Werkstätten mit einem solchen betriebsintegrierten BBB-Angebot tun zudem etwas gegen ihren Ruf als „Sackgassen-Einrichtung“ und werden für neue Personengruppen attraktiv.
Leidet die Funktionsfähigkeit der Werkstatt?
Für viele Produktionsverantwortliche klingt eine hohe Vermittlungsquote des BBB wie eine Drohung: „Ist die Funktionsfähigkeit unserer Werkstatt noch gewährleistet, wenn der BBB nicht mehr ausreichend ‚Nachwuchs‘ für unsere Produktion ausbildet? Wie sollen wir unsere Produktionsqualität aufrechterhalten und unsere Aufträge sichern? Blutet die Werkstatt nicht langfristig aus?“ Dominik Hoderlein, der BBB-Leiter der Lebenshilfewerkstatt in Bamberg, gibt Entwarnung: „Bei uns verbringen die BBB-Teilnehmer die Hälfte ihrer Qualifizierungszeiten in Betrieben, unterstützt durch unseren werkstatteigenen Fachdienst Integra Mensch, und nach dem Ende des BBB wechseln 50 Prozent aller Abgänger auf einen ausgelagerten Arbeitsplatz.“ Die Produktion leide, so Hoderlein, aber nicht darunter. „Die Tatsache, dass wir in großem Stil betriebsintegrierte Arbeitsplätze schaffen, macht uns für Personen attraktiv, die früher die Werkstatt vermieden hätten. Vor Jahren kamen die BBB-Teilnehmer überwiegend aus den Sonderschulen, heute ist der Anteil der Sonderschulabgänger auf 30 Prozent gesunken. Ein Viertel unserer gesamten Werkstattplätze sind mittlerweile ausgelagert, trotzdem sind unsere drei Werkstattbetriebe nicht geschrumpft, weil die Werkstatt insgesamt gewachsen ist. Auch die Qualität der Produktion hat nicht gelitten. Wir mussten noch nie einen Auftrag ablehnen, weil so viele Mitarbeiter auf ausgelagerten Arbeitsplätzen beschäftigt sind.“
Ein neuer Werkstattbegriff
Dass sich viele Werkstätten mit der Verlagerung beruflicher Bildung in die Betriebe schwertun, mag auch dem Festhalten am herkömmlichen Werkstattbegriff geschuldet sein: „Werkstatt“ wird traditionell als ein Ort verstanden, als das Gebäude, in dem die Werkstattarbeit stattfindet. Der modernere Begriff von Werkstatt als Dienstleistung, als Betreuung und Anleitung in unterschiedlichen Arbeitszusammenhängen ist noch nicht durchgängig akzeptiert. Auch der Gesetzgeber hat sich mit dieser Lesart ja lange schwergetan, die Kostenträger tun es teilweise heute noch. Bei der Zulassung anderer Leistungsanbieter bestehen sie auf der buchstabengetreuen Einhaltung der Werkstättenverordnung, auch wenn deren Vorgaben in Betrieben oft kaum einzuhalten sind.
Berufliche Bildung am Bedarf der Person ausrichten
Die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere das neue Bundesteilhabegesetz, sehen ausdrücklich eine individuelle Ausrichtung aller Angebote und Maßnahmen vor. Das Stichwort lautet „Personenzentrierung“. Dominik Hoderlein von der Lebenshilfe Bamberg hat seinen Berufsbildungsbereich konsequent personenzentriert und praxisbezogen ausgerichtet. „Das Wahlrecht hat bei uns höchste Priorität. Die Person kann entscheiden, wo sie sich erproben will und wieviel Qualifizierung sie sich wünscht und wir machen diesen Wunsch für sie möglich.“ Die personenorientierte BBB-Ausrichtung geht in Bamberg aber nicht zu Lasten der Qualität. Für alle Anleitungsschritte gibt es Qualifizierungsmodule und die Werkstatt hat sogar eigene, mit den Kammern abgestimmte und zertifizierte Qualifizierungsgänge entwickelt. Diese Abschlüsse können auch noch im Arbeitsbereich der Werkstatt erworben werden.
Wie wird betriebsintegrierte Berufsbildung erfolgreich?
Bleibt die Frage nach den Voraussetzungen, die eine betriebsintegrierte Berufsbildung benötigt. Wie sollte sie strukturiert sein, damit sie ähnlich wirksam wird wie die in Iserlohn oder Bamberg? Kurzgefasst lassen sich aus den Beispielen erfolgreicher Werkstätten folgende Regeln ableiten:
1. Es bedarf eines eindeutigen Auftrags und des sicheren Rückhalts der Geschäftsleitung.
2. Erforderlich ist darüber hinaus eine positive Grundhaltung im gesamten Betrieb, eine Akzeptanz und Wertschätzung für das Thema Zugänge zum Arbeitsmarkt.
3. Erfolg setzt zudem spezialisierte Jobcoachs voraus, die Außenarbeitsplätze betreuen und in die Ausgestaltung der Praktika und ausgelagerten BBB-Plätze involviert sind. Sie sollten eine eigene organisatorische Einheit bilden.
4. Die Jobcoachs benötigen eine gute Ausstattung in Technik und Mobilität und zeitliche Flexibilität, die nicht eng an die WfbM-Arbeitszeiten gebunden ist.
5. Der Bereich sollte sich an einem Konzept, das heißt an Verfahrensregeln, Methoden und Vorgaben orientieren, die auf den Prinzipien des Supported Employment und des SONI-Modells der Sozialraumorientierung aufbauen.
6. Auch in der Zusammenarbeit des Dienstes mit den anderen Teilen der Werkstatt muss es abgestimmte, verbindliche Regeln und Verfahrensweisen geben.
7. Um erfolgreich zu sein, benötigen die Jobcoachs zudem gute Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Fazit
Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass ein bereits im Berufsbildungsbereich angelegter, individuell zugeschnittener Zugang zum Arbeitsmarkt mit einer breiten beruflichen Orientierung die späteren Integrationschancen deutlich verbessert. Ein betriebsintegrierter BBB schwächt nicht, wie häufig befürchtet, die Funktionalität und die Erträge der Werkstatt, sondern macht sie attraktiver und stärkt damit ihre Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit. Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sollte die betriebsintegrierte Berufsbildung zum Standardangebot jeder Werkstatt gehören.
Für alle, die sich über den betriebsintegrierten BBB informieren wollen, veranstaltet UN-Konventionell e.V. den diesjährigen Fachtag unter anderem mit einer Vertreterin der Arbeitsagentur, erfolgreichen Praxisbeispielen und Workshops:
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