UN-Konventionell: Frau Ahrend, Sie haben den diesjährigen Fachtag unseres Vereins UN-Konventionell e.V. am 23. und 24. Juni in Frankfurt maßgeblich mitgeplant. Er steht unter der Überschrift: Wie kann ich als Jobcoach im Spannungsfeld der Anforderungen und Erwartungen meine Spielräume bewahren und handlungsfähig bleiben? Was macht Sie zu einer Expertin in Sachen Jobcoaching?
Benina Ahrend: Ich begleite zusammen mit meiner Kollegin Ulrike Martzinek schon seit fast 25 Jahren Firmen in Sachen Entwicklung, Organisation und Personalmanagement, kenne also diese Seite der Medaille sehr gut. Wir unterstützen und coachen ebenso lange Arbeitslose beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Seit 20 Jahren beraten wir zudem auch Jobcoachs, zunächst für das Projekt Chance 24 in Hamburg, das unter dem Dach der Werkstätten angesiedelt war. Dort ging es unter anderem um das Thema Akquisition von Arbeitsplätzen. Später haben wir in Kooperation mit der Veranstaltungsagentur 53° NORD eine Jobcoaching-Ausbildung für Werkstätten entwickelt, die ich bis heute leite.
Haben die Werkstätten ein einheitliches Vorgehen beim Zugang zum Arbeitsmarkt?
Nein, da gibt es große Unterschiede. Das beginnt schon bei der Bezeichnung der Jobcoachs, die je nach Region sehr verschieden sein kann. Aber auch in der Organisation und der internen Bedeutung dieses Aufgabenfelds gibt es eine weite Spannbreite. Das reicht von einer Fachkraft, die sich einmal in der Woche um eine Begleitung am Arbeitsmarkt kümmert, bis zu einer eigenen Abteilung mit einer klaren strategischen Vorgabe und einem ausgearbeiteten Konzept, ausgestattet mit der nötigen Manpower und dem entsprechenden Equipment. Zwischen diesen beiden Polen gibt es die unterschiedlichsten Bedingungen, je nachdem, wie sehr die Geschäftsführung bereit ist, dem Thema Gewicht zu geben.
Was sind die Unterschiede zwischen einer Fachkraft in der WfbM und einem Jobcoach?
Ein Jobcoach bewegt sich mit dem Teilnehmer gemeinsam hin zum und im Betrieb, begleitend, unterstützend, zuhörend, anregend, und hilft ihm dabei, seine Ziele zu erreichen. Er ist in einem bestimmten Umfang auch ein Anleiter, aber viel mehr ein Moderator, ein Vermittler zwischen Teilnehmer, Betrieb, Werkstatt und Elternhaus. Fachkräfte bzw. Gruppenleiter sind verantwortlich für Rehabilitation und Produktion. Sie sind das fördernde und fordernde Element und neben der Anleitung auch für die Arbeitsorganisation und für die Produktionsergebnisse verantwortlich. Fachkräfte haben es in 36 Stunden in der Woche mit einer ganzen Gruppe zu tun, Jobcoachs jeweils zeitlich begrenzt mit Einzelpersonen. Auch wenn die Teilnehmer in beiden Fällen eingeschränkt leistungsfähig sind und Unterstützung benötigen, ist das ein sehr unterschiedliches Setting.
Was macht die besonderen Belastungen für Jobcoachs aus?
Auch wenn Jobcoachs über ein Team verfügen, sind sie vor Ort auf sich allein gestellt, Sie müssen entscheiden, was gerade richtig und angemessen ist, welche Informationen sie zum Beispiel selber brauchen und welche sie herausgeben wollen. Sie stehen dabei im Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen und Interessen. Wenn die Werkstattleitung den Vermittlungsgedanken nur halbherzig mitträgt und diese Idee nicht lebt, wird es noch einmal schwieriger. Häufig kommt es zu einer Konkurrenzsituation zwischen Jobcoachs und Gruppenleitern, zwischen der Chance zur Erprobung in einem Betrieb und der Skepsis, ob das für den Teilnehmer der richtige Weg ist und ob es nicht der Produktion schadet.
Welche Unterstützung kann es für Jobcoachs geben?
Der Konflikt zwischen dem Produktions- und dem Vermittlungsauftrag ist grundsätzlich in der Werkstatt angelegt. Um ihn zu überwinden, braucht es neben dem gelebten Willen der Leitung ein "Marketing nach innen", das alle Beteiligten auf den gemeinsamen Weg einstimmt. Hilfreich für Jobcoachs sind auch Supervision oder Intervision, Fortbildungen, jede Form von Austausch, auch über die Werkstattgrenzen hinweg. Sich mit anderen Einrichtungen vergleichen, eine Art Benchmarking: Was machen andere oder was machen sie eventuell auch wir besser?
Ist es das, was Sie in dieser Fachtagung anstreben?
Genau, auf dieser Tagung sind die herausfordernden Arbeitsbedingungen, die möglichen Spannungen und Belastungen, die unterschiedlichen Erwartungen und die Einzelkämpfersituation das Thema. Es geht um Austausch unter den Teilnehmenden darüber, wie man sie bewältigen und seine eigene Handlungsfähigkeit sicherstellen kann.
Bietet die Tagung noch etwas über den Erfahrungsaustausch hinaus?
Ja, in den Workshops bieten wir den Teilnehmenden auch Handwerkszeug für ihre Arbeit, fachliche Inputs und fachliches Know-how. Zu den Themen Zeitmanagement und Prioritätensetzung: Wie können sie mir helfen, den Anforderungen von innen und außen gerecht zu werden? Zum Umgang mit Spannungen und Interessenkonflikten: Wie gelingt es mir, Interessen auszugleichen, Abwertungen zu vermeiden und einen Konsens zu suchen? Und zum Umgang mit Belastungen: Was ist mein Anspruch an mich selbst? Was treibt mich an? Was will und was muss ich leisten? Wie finde ich die richtige Balance?
Es geht also immer darum, was mir hilft, meine Aufgaben als Jobcoach zu bewältigen und mit meinem Arbeitsalltag konstruktiv umzugehen.
Für wen ist die Tagung gedacht?
In erster Linie wenden wir uns an die operative Ebene, an die Jobcoachs vor Ort. Aber natürlich hat das Thema auch einen organisatorischen Aspekt. Welche Bedingungen müssen in einer Werkstatt bzw. in einem Vermittlungsteam gegeben sein, damit es nicht zu Überlastungen kommt? Welche Impulse, welche Unterstützungen, welche Netzwerke sind wichtig? Insofern ist es auch eine Tagung für die Leitungsebene.
Vielen Dank, Frau Ahrend
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